Keine Frage: Das neue Trek Session zählt zu den schnellsten Downhill-Bikes der Welt. Einen erheblichen Anteil am Erfolg des Race-Boliden haben Loris Vergier und Reece Wilson von Trek Factory Racing. Wir haben uns die Arbeitsgeräte der beiden Überflieger näher angeschaut – und neben einigen Gemeinsamkeiten auch spannende Unterschiede entdeckt!
Beide gehören zu den spektakulärsten Fahrern im World Cup-Zirkus, beide sind ziemlich erfolgreich und beide fahren für eines der größten Teams – die Rede ist von den Trek Factory Racing-Profis Reece Wilson und Loris Vergier. Der eine wurde im vergangenen Jahr ziemlich überraschend Weltmeister und fährt seitdem konstant in der Weltspitze, der andere gilt schon länger als großes Versprechen für die Zukunft und konnte in Maribor den vierten World Cup-Sieg seiner Karriere feiern. Und selbstverständlich waren sowohl Loris Vergier als auch Reece Wilson beim vergangenen Downhill World Cup in Maribor auf bis ins letzte Detail optimierte Trek Sessions unterwegs, die auch wegen der besonderen Lackierungen ins Auge gestochen sind.
Wirft man einen ersten Blick auf die Arbeitsgeräte der beiden Trek-Profis, dann … na dann kommt man aus dem Staunen kaum heraus, denn beide Trek Sessions sehen einfach unverschämt gut aus. Nach dieser ersten Lechz-Phase wird man wohl meinen, dass die beiden Arbeitsgeräte abgesehen von den Farben nur wenig unterscheidet. Doch der Schein trügt – zumindest, wenn man sich mit den Bikes im Detail beschäftigt.
Was ist identisch, was ist anders? Benutze den Slider für den direkten Vergleich!
Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten an: Beide Fahrer sind auf einem Trek Session in der mittleren Rahmengröße R2 unterwegs, beide bevorzugen ein Mullet-Setup mit Alu-Laufrädern von Bontrager und beide testen gerade fleißig ein RockShox Prototyp-Fahrwerk aus der Blackbox-Serie. Auch die Hersteller der verbauten Komponenten sind logischerweise (weitgehend) identisch. Damit enden die Gemeinsamkeiten aber auch schon. Das bestätigt Loris‘ langjähriger Mechaniker Pierre-Alexandre Roche: „Die Laufräder unterscheiden sich, die Speichen unterscheiden sich, das Fahrwerk ist unterschiedlich eingestellt, die Reifendrücke sind anders, das Fahrwerk ist natürlich unterschiedlich eingestellt. Im Prinzip handelt es sich um zwei komplett verschiedene Bikes.” Loris Vergier, der den World Cup in Maribor gewinnen konnte, schlägt in die gleiche Kerbe:
Beide Bikes sind meiner Meinung nach verdammt cool – vor allem, weil das Setup komplett unterschiedlich kaum sein könnte.
Loris Vergier
Arbeitsgerät: Trek Session von Reece Wilson
- Fahrer Reece Wilson (1,78 m)
- Rahmen Trek Session Mullet
- Rahmengröße R2 mit flacherem Lenkwinkel
- Fahrwerk RockShox Boxxer Blackbox / RockShox Coil Blackbox
- Laufräder Bontrager Line DH 30 mit DT Swiss 240er Naben
- Reifen Bontrager G5 Team Issue
- Bremsen SRAM Code RSC / 220 mm Scheiben
Arbeitsgerät: Trek Session von Loris Vergier
- Fahrer Loris Vergier (1,75 m)
- Rahmen Trek Session Mullet
- Rahmengröße R2 mit längerem Reach
- Fahrwerk RockShox Boxxer Blackbox / RockShox Coil Blackbox
- Laufräder Bontrager Line DH 30 mit DT Swiss 240er Naben
- Reifen Maxxis Minion DHR II
- Bremsen SRAM Code RSC / 220 mm Scheiben
Rahmen und Geometrie
Mit Körpergrößen von etwa 1,75 m respektive 1,78 m ist es nicht verwunderlich, dass Loris und Reece beide auf dem neuen Trek Session (zum Artikel: Trek Session 2022 im ersten Test) in der mittleren Rahmengröße R2 unterwegs sind. Serienmäßig bietet der neue Session-Rahmen jede Menge Einstellmöglichkeiten. So ist das Downhill-Bike der US-Amerikaner mit allen gängigen Laufrad-Konfigurationen fahrbar. Über das bekannte Minolink-System kann man die Geometrie anpassen. Außerdem lässt sich die Progression am Heck beeinflussen und Endkunden können dank mitgelieferter Steuersatz-Schalen den Lenkwinkel um ±1° verstellen.
Gehen wir also die verschiedenen Settings durch: Beide Fahrer haben sich für einen Mullet-Aufbau mit kleinerem 27,5″-Hinterrad entschieden. Nachdem es einige Jahre so ausgesehen hatte, als wären 29″ vorne und hinten die Größe der Wahl, sind Bikes mit gemixten Laufrädern im Downhill World Cup inzwischen eher die Norm als die Ausnahme. Bei beiden Arbeitsgeräten ist der Minolink ins flache Setting gestellt, beide bevorzugen wenig überraschend das progressivere der beiden Settings.
Im Bereich des Steuerrohrs erkennt man einige Unterschiede. So ist am Arbeitsgerät von Loris Vergier ein Steuersatz verbaut, der offensichtlich den Reach um einige Millimeter verlängert. Unter der Gabelbrücke ist lediglich ein einzelner Spacer verbaut, zudem sorgen zwei Spacer unter dem Vorbau für eine etwas höhere Front – die aber im Vergleich zu der an Reece Wilsons Trek Session niedriger ausfallen dürfte.
Am güldenen Bike des amtierenden Weltmeisters ist ebenfalls ein Steuersatz verbaut, der sich auf die Geometrie auswirkt. Allerdings wird hier nicht der Reach verlängert, sondern ganz offensichtlich die Front um 0,5° abgeflacht. Außerdem fällt auf, dass deutlich mehr Spacer unter der oberen Gabelkrone verbaut sind, was in Kombination mit dem Spacer unter dem Vorbau für ein insgesamt höheres Cockpit sorgen dürfte.
In der Praxis dürften sich dadurch beide Bikes ungefähr gleich groß anfühlen – während die gefühlte Länge am Rad von Loris Vergier durch einen verlängerten Reach in Kombination mit einem etwas niedrigeren Cockpit erzielt wird, sorgt am Bike von Reece Wilson ein höherer Stack in Kombination mit einem flacheren Lenkwinkel dafür. Allerdings dürften diese Abweichungen den Schwerpunkt des Schotten etwas weiter nach oben und hinten verschieben, was auch zum im Vergleich deutlich aufrechteren Fahrstil passt.
Schon zu Santa Cruz Syndicate-Zeiten war Loris Vergier als ein Fahrer bekannt, der durchaus Wert auf Gewichtsersparnisse am Arbeitsgerät gelegt hat. Ob es daran liegt, dass er im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Reece auf eine Umlenkrolle an der Kettenführung verzichtet? Auf seine Zeit im Finale von Maribor hat es sich ganz offensichtlich nicht negativ ausgewirkt – im Gegenteil. Durch die geringeren Umschlingung der Kette, die durch den High Pivot-Hinterbau mitsamt Umlenkrolle kommt, ist der Verzicht jedenfalls ein etwas gewagtes Unterfangen. Andererseits dürfte auch die Pedaliereffizienz dadurch gesteigert werden. Außerdem fällt auf, dass der Unterrohrschutz am grünen Rahmen des Franzosen deutlich kürzer ausfällt, als es am goldenen Session von Reece Wilson der Fall ist.
Fahrwerk und Setup
Reece Wilson und Loris Vergier zählen zu dem erlesenen Kreis derjenigen Downhill-Profis, die bereits fleißig neue RockShox-Komponenten der Blackbox-Serie testen. Über diese haben wir bereits in der Vergangenheit berichtet, wenngleich uns noch immer keine Details vorliegen – und sowohl das Team, als auch SRAM hierzu verständlicherweise schweigen. Bei unserer Meinung, dass die mysteriös aussehenden Federgabeln und Dämpfer aber einen schon recht serienreifen Eindruck machen, bleiben wir allerdings.
Genaue Details zur Anzahl der Klicks am Dämpfer oder der High Speed-Zugstufe von den Federgabeln können wir also wenig überraschend nicht liefern. Die Federhärten am Heck – 475 lbs bei Reece Wilson, 500 lbs bei Loris Vergier – unterscheiden sich leicht voneinander und dürften auf unterschiedliche Präferenzen zurückzuführen sein. Auf die Frage, was für sie das perfekte Setup ist, geben die beiden ebenfalls unterschiedliche Antworten:
Das perfekte Setup für mich ist ein Bike, das sich komfortabel und vorhersehbar fährt. Dafür spielt meiner Meinung nach der Rebound die größte Rolle.
Loris Vergier
Meiner Meinung nach ist das optimale Setup stark von der jeweiligen Strecke abhängig – aber der wichtigste Aspekt für mich ist wohl die optimale Balance zwischen Front und Heck.
Reece Wilson
Um das jeweils für sich optimale Setup zu finden, sind beide Fahrer permanent damit beschäftigt, fleißig zu testen. So sind beide auch zwischen den Rennen, wenn sie auf ihren doch sehr unterschiedlichen Hometrails fahren, mit Setups unterwegs, die den straffen Race-Einstellungen zumindest stark ähneln. Gerade der Weltmeister Reece Wilson hat in der Off Season viel Zeit damit verbracht, sich intensiv mit dem Fahrwerk auseinanderzusetzen. Und dass Loris Vergier auch auf dem für ihn noch eher ungewohnten RockShox-Fahrwerk ziemlich penibel zur Sache geht, dürfte kaum überraschen – man erinnere sich nur zurück an die extrem unterhaltsamen World Cup-Videos, in denen er die Fox-Belegschaft permanent in den Wahnsinn getrieben hat …
Laufräder und Reifen
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Arbeitsgeräten sind die Laufräder und Reifen, denen als einziger Kontaktpunkt zum Untergrund eine nicht ganz unwichtige Bedeutung zukommt. Am Rad von Reece Wilson waren in Maribor reguläre Bontrager G5 Team Issue-Reifen vorne und hinten verbaut. Im Gegensatz dazu wurde am Trek Session von Loris Vergier zum Edding gegriffen. Hoch und heilig mussten wir versprechen, dass es sich bei den geschwärzten Exemplaren NICHT um Maxxis Minion DHR II vorne und hinten handelt.
Ein weiterer Unterschied sind die Laufräder, wenngleich hier an beiden Rädern Bontrager Line DH 30-Felgen aus Aluminium mit den 240 Naben-Klassikern aus dem Hause DT Swiss kombiniert werden. Nicht nur farblich unterscheiden sich nämlich die Speichen: Loris Vergier ist ein großer Fan von silbernen Speichen, die entgegen der gängigen Praxis nicht konifiziert sind. So messen die Speichen am Arbeitsgerät von Loris eine durchgehende Dicke von 2,0 mm, was für eine höhere Steifigkeit der Laufräder sorgen und den eher weichen Aluminium-Felgen entgegenwirken soll.
Ob Reifen-Inserts verbaut werden oder nicht, ist bei beiden Fahrern von verschiedenen Faktoren abhängig. So war zumindest am Tag der Qualifikation, als die Fotos entstanden sind, am Bike von Loris Vergier vorne und hinten ein Cushcore-System verbaut, während Reece Wilson ohne zusätzlichen Schutz in den Reifen auf die Strecke gegangen ist. Generell testen die Fahrer und Teams aber viel in diesem Bereich und ändern gegebenenfalls noch den Aufbau, je näher den Rennlauf rückt. Auch die Reifendrücke werden je nach Bedingungen, Reifen und dem Aufbau der Laufräder angepasst.
Komponenten-Check
Zum Abschluss werfen wir noch einen Blick auf die verbauten Komponenten, die überwiegend sehr ähnlich sind. Beide Fahrer vertrauen auf die bewährte Kraft der SRAM Code RSC-Bremsen. Hier stechen die neuen HS2-Bremsscheiben aus dem Hause SRAM ins Auge, die allem Anschein (und der Lasergravur nach) deutlich dicker sind als die bisherigen SRAM-Bremsscheiben. Einer der wesentlichen Gründe hierfür dürfte die immer stärkere Verbreitung der 220 mm großen Bremsscheiben für ein Maximum an Bremsleistung und Hitzebeständigkeit sein.
Beim Antrieb setzt das komplette Trek-Team auf die bewährte SRAM X01 DH-Lösung mit 7 Gängen und 34 Zähne großen Kettenblättern. Wie nahezu alle Downhill-Profis sind auch Reece und Loris eingeklickt unterwegs und verwenden dafür Crankbrothers Mallet-Pedale. Sattel und Sattelstütze sowie das Cockpit stammen von der von Trek-Kollege Brett Rheeder gegründeten Marke Title. Neben dem Auszug und dem Winkel des Sattels unterscheiden sich auch die Griffe und die Ausrichtung der Bremshebel, auf die vor allem Reece Wilson einen sehr großen Wert legt, voneinander. Details wie diese sind es, die aus zwei auf den ersten Blick ziemlich ähnlich wirkenden Bikes laut den beiden Trek-Profis in Summe sehr unterschiedliche Arbeitsgeräte machen – die beide extrem schnell sind!
Grün und schnell oder gold und weltmeisterlich: Welches der beiden Trek Sessions ist dein Favorit?
Hier findest du weitere Arbeitsgeräte von den Stars der Mountainbike-Szene:
- Arbeitsgerät – Cape Epic-Edition: Orbea Oiz OMX von Georg Egger
- Arbeitsgerät – Cape Epic-Edition: Scott Spark RC von Nino Schurter
- Arbeitsgerät Spezial: Pinnit Shredmaster V2 von IBC-User Grottenolm
- Arbeitsgerät: Mondraker-Prototyp von David Trummer
- Arbeitsgerät: Rose Scrub von Lukas Knopf
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