Andreas Kolb hatte eine unglaubliche Saison 2023. Der Österreicher hat sich fest in der Weltspitze etabliert, konnte seinen ersten World Cup-Sieg einfahren und ist einer der absoluten Top-Fahrer. Mit Mont-Sainte-Anne hat er bisher noch keine guten Erfahrungen gemacht, wollte das zum Saison-Abschluss jedoch gerne ändern. Wie sein Rennen lief und was er zu den neuen Regeln zum Gesamt-World Cup-Podium sagt, erfahrt ihr in seinem packenden Rennbericht.
Zeit war es für den letzten World Cup: Mont-Sainte-Anne – eine Strecke, vor der ich ehrlicherweise eine gewisse Ehrfurcht verspüre. 2018 war ich das erste Mal dort, 2019 oder so war ich mal 18,5 s hinten dran mit einem guten Lauf. Ich hatte einfach häufig körperliche Probleme. 2022 war ich krank und bis zu einer der letzten Splits noch 7., hatte dann jedoch einen Platten. Sprich: Dieses Jahr war wirklich Zeit für eine Redemption! Im Gesamt-World Cup hat es auch gut ausgeschaut. Nach Snowshoe war ich auf Platz 5, was mir niemand mehr wegnehmen konnte.
In Quali und Semi-Finale gab es keine Punkte – damit es bis zum Schluss spannend bleibt, gab es nur Punkte im Finale. Meiner Meinung nach ergibt das überhaupt gar keinen Sinn, denn warum sollte man für ein Rennen mehr Punkte bekommen als für ein anderes? Wenn ich Benoit Coulanges bin und Mont-Sainte-Anne verpasse, dann entgehen mir maximal 250 Punkte. Aber wenn ich ein anderes Rennen wie etwa Leogang verpasse, dann kann ich 400 Punkte nicht holen.
Trackwalk-Tag – ein feiner Loamer
Dennoch war ich extrem motiviert, umso mehr, nachdem ich die Strecke gesehen hatte. Das schlechteste Stück oben im Wald haben sie eliminiert und einen richtig feinen Loamer eingebaut. Es war richtig cool gebaut, teilweise höchstens etwas sketchy. Der Rest der Strecke war hergerichtet und hat etwas besser ausgeschaut als in den Vorjahren. Mittlerweile weiß ich, dass Highspeed-Strecken zu meinen Stärken gehören – daher war ich sehr motiviert. Nach Snowshoe war es auch schön, endlich wieder richtig Gas zu geben und nicht so auf Halbgas durch die Steine zu fahren – das fühlte sich einfach nicht gut an.
Trainings-Tag – Top-Speed von Beginn an
Vom ersten Trainingslauf weg habe ich mich sehr gut gefühlt. Ich bin gemeinsam mit Oisin O’Callaghan und Ronan Dunne gefahren, da mein Teamkollege Charlie Hatton verletzt ist. Die zwei habe ich immer gut mitgezogen und wohl auch etwas abgezogen. Sie meinten beide, dass sie keine Chance haben, hinten nachzukommen und ich musste immer etwas auf sie warten. Dadurch, dass die beiden ja im vorherigen World Cup in Snowshoe Erster und Zweiter geworden sind, war ich natürlich umso motivierter. Dazu gab’s generell gutes Feedback für mich. Beim Setup bin ich zurück auf mein Basis-Setup aus Les Gets gegangen: bissl höherer Lenker, bissl langsamerer Rebound. Wenn der Rebound bei dem Speed, den man auf der Strecke fährt, zu schnell ist und man eine mitbekommt, dann wird es schnell sketchy. Außerdem wird es so etwas entspannter für die Arme – gerade im letzten Steinfeld unten.
Leider hat es – komischerweise – für dieses Rennen mal wieder kein Timed Practice gegeben. Das konnte uns auch niemand erklären – das ist beim letzten Rennen der Saison alles etwas eigenartig. Ich hätte natürlich gerne am ersten Tag schon gezeitete Läufe gemacht. Deshalb musste ich dann bis zum zweiten Tag warten, um zu sehen, ob die Pace stimmt oder sich einfach nur gut anfühlt.
Quali-Tag – überall große Löcher
Am zweiten Tag hat die Strecke dann angefangen aufzubrechen. Der neue Loamer ist richtig loose geworden und es sind überall große Löcher rausgekommen. Es wurde dadurch extrem schwer zu fahren und ich habe schon gemerkt, dass es für mich körperlich schwierig wird. In der Quali habe ich dann einen soliden Lauf runtergebracht. Der war nicht wirklich sauber und mit einigen Fehlern drin. Ich bin damit aber auf Platz 3 gefahren – nicht ganz 3 Sekunden hinter Bruni. Damit war ich mehr als happy, wusste aber, dass am nächsten Tag der Regen kommt und damit die Karten neu gemischt werden.
Final-Tag – der Druck war weg
Am Renntag ist dann direkt nach dem letzten Trainingslauf der Regen reingekommen. Sprich, das Semi-Finale war der erste Lauf im Nassen. Da mache ich eigentlich immer dasselbe am Setup: minimal softere Gabel – von 98 psi auf 96 psi – und am Vorderreifen statt 24 psi nun 23 psi und hinten statt 29 psi jetzt 28 psi – einfach um minimal mehr Grip zu haben. Ich bin recht motiviert ins Semi-Finale gestartet, aber leider im zweiten Wald bei einem Gap einem Baum zu nahe gekommen und habe dann vorm nächsten Baum geparkt. Ich stand still und der Lauf war damit eigentlich vorbei. Die Pace hat trotzdem gepasst und ich wusste, dass ich im Rennlauf, wenn ich etwas mehr andrücke und mehr bei mir bin, gut dabei bin. Für mich war der Druck komplett weg, da ich wusste, dass der 5. Platz im Gesamt-World Cup sicher ist und es nur noch besser werden kann: Alles bis zum 2. Platz war möglich!
Es war irgendwie cool, ohne Druck zu fahren. Ich konnte durch meinen 21. Platz im Semi-Finale etwas früher starten. Ich habe erwartet, dass die Strecke durch den nun ausbleibenden Regen etwas abgetrocknet ist, war aber sehr erstaunt, wie nass die Strecke immer noch ist. Dadurch habe ich etwas gekämpft, meinen Flow zu finden. Oben war ich teilweise etwas loose, teilweise etwas schneller, dann kam ein Fehler, dann war ich wieder zu safe – ich bin einfach nur von safe zu loose gewechselt. An dem Gap, wo ich im Semi-Finale den Baum erwischt habe, wollte ich weiter links springen, um diese Situation zu vermeiden. Irgendwie habe ich es geschafft, den Baum erneut zu attackieren, glücklicherweise jedoch etwas weniger hart. So konnte ich mehr Exit-Speed mitnehmen, für den Kopf war das aber insgesamt schwierig und es hat auch das letzte Feuer gefehlt.
Ich bin dann zwar mit 2,5 s Vorsprung auf Platz 1 hereingefahren und dachte auch, dass das sicher eine gute Zeit ist, aber es hat sich dann herausgestellt, dass jeder noch mal einen draufgesetzt und es am Ende nur für Platz 8 gereicht hat. Leider nur 0,2 s vom Podium weg. Das war natürlich extrem schade – zwei World Cups so knapp am Podium vorbei. Im Gesamt World Cup war ich auch nur 9 Punkte hinter Finn Iles, der auf dem 4. Platz landete. Das war also alles eine sehr knappe Geschichte. Trotzdem war ich happy, da ich Top 5 im Overall war und auch noch unverletzt.
Ich war anschließend bereit fürs Overall-Podium, dann wurde mir jedoch gesagt, dass es das dieses Jahr nicht mehr gibt: Das wurde von Top 5 auf Top 3 reduziert. Da war, muss ich ehrlich gestehen, die Laune ziemlich am Boden. Erneut Kommunikationsprobleme vom neuen Veranstalter und meiner Meinung nach ziemlich traurig für uns Fahrer. Wir trainieren hart daraufhin und ich wusste schon in Snowshoe, dass ich Top 5 im Gesamt-World Cup sein würde – und dann darf ich nicht mehr aufs Podium? Das ist doch schade! Aber es ist halt so, bei den meisten anderen Sportarten gibt es auch nur ein Top 3-Podium und das wird bei uns wohl auch in Zukunft so werden. Ich finde das schade, aber wenn man es im Vorhinein weiß und dann 5. wird, dann ist das auch ok. So war’s ein ziemlicher Schlag ins Gesicht.
Zwei, drei Stunden später ist dann aber wieder gefeiert worden und mit dem 5. Platz im Overall muss ich mich nicht verstecken. Die Saison hatte nicht nur Highlights, sondern ich hatte einige echt schwierige Rennen mit einigen Verletzungen. Trotzdem so weit vorn zu sein, ist mega cool, und mit Highlights wie Leogang und Fort William war es natürlich eine super Saison. Irgendwie habe ich aber immer noch nicht ganz gecheckt, dass sie nun vorbei ist und bin deshalb schon sehr traurig. Allerdings auch etwas erleichtert darüber, gesund zu sein. Doch jetzt heißt es abschalten, daheim noch Bikepark-Laps fahren und eine gute Zeit mit der Familie haben.
Es gibt natürlich einiges, das ich verbessern kann und will für nächstes Jahr und dann schauen wir mal, wie weit es dann nach vorn geht! In dem Sinne, einen vielen lieben Dank an alle, für das immer positive Feedback und coole Kommentare. Das gibt mir immer wieder ein Grinsen ins Gesicht, wenn ich das Feedback von euch sehe und merke, dass ich anderen Leuten mit meinem Fahrradfahren eine Freude machen kann. Ich freue mich schon wieder, wenn ich im kommenden Jahr wieder von den Rennen berichten darf – macht’s gut und bis dahin!
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