Canyon Neuron 6 im Test: Erst vor wenigen Wochen hat Canyon die neuste Iteration des Langstrecken-fähigen Trail-Bikes Neuron vorgestellt. Neben High-End-Carbon-Modellen sind natürlich auch preisgünstigere Alu-Modelle im Angebot des Versenders. Diese bieten dieselbe schlanke Rahmenform, 140 mm Federweg an der Front und 130 mm am Heck und eine modernisierte Geometrie. Wir konnten das 2.299 € günstige Canyon Neuron 6 bereits im Rahmen unseres Trail-Bike-Vergleichstests über die Trails jagen.
Steckbrief: Canyon Neuron 6
Einsatzbereich | Trail |
---|---|
Federweg | 140 mm/130 mm |
Laufradgröße | 27,5ʺ, 29ʺ |
Rahmenmaterial | Aluminium |
Gewicht (o. Pedale) | 14,7 kg |
Rahmengrößen | XS, S, M, L, XL (im Test: L) |
Website | www.canyon.com |
Preisspanne | 1.899 – 2.699 € |
Man muss schon etwas genauer hinsehen, um zu erkennen, dass es sich bei unserem Testbike um eine relativ neue Version des Neurons (Canyon Neuron 2023-Test) handelt. Es setzt genau wie der 2016 vorgestellte Vorgänger auf einen Viergelenker-Hinterbau mit waagrecht unter dem Oberrohr angebrachtem Dämpfer. Das sorgt für einen schlanken und sportlichen Look und lässt viel Platz im Rahmendreieck. Unser Testbike in Größe L rollt auf 29″-Laufrädern – nur in Größe XS und S kommen 27,5″-Laufräder zum Einsatz. Mit einem durchaus fairen Preis von 2.299 € liegt das Canyon Neuron 6 im Mittelfeld unseres Vergleichstests und bietet eine Versender-typisch solide Ausstattung. Tatsächlich gibt es sogar ein noch günstigeres Modell für 1.899 €. Mit 130 mm Federweg am Heck ist das Neuron auf der etwas strafferen Seite für ein Trail-Bike. Wir haben getestet, wie sich das Trail-Bike gegen die Konkurrenz im Test schlägt.
Im Detail
Das Canyon Neuron kommt ziemlich schlank daher und wirkt im Vergleich zum restlichen Testfeld fast schon filigran. Das liegt auch am eher offenen Rahmendesign mit dem knapp unter dem Oberrohr platziertem Dämpfer. Dieser wird Canyon-typisch von einem klassischen Viergelenker-Hinterbau angelenkt. Canyon bezeichnet die dabei gewählte Kinematik als „Triple Phase Suspension“ und verspricht ein sensibles Ansprechverhalten, viel Gegenhalt in der Federwegsmitte und ausreichend Progression am Ende, um Durchschläge zu vermeiden. Durch den weit oben platzierten Dämpfer ist im Hauptrahmen Platz für eine Trinkflasche und eine darüber platzierte, optional erhältliche Werkzeugtasche.
Gegenüber dem Vorgänger möchte Canyon die Kabelführung verbessert haben. Der Versender verzichtet auf eine Führung durch den Steuersatz – stattdessen werden die Leitungen hinter dem Steuerrohr ins Rahmeninnere geführt und treten nur kurz oberhalb des Tretlagers ans Tageslicht. Natürlich ist der Rahmen mit allerlei Schonern ausgestattet – Kettenstrebe und Unterrohr wirken gut geschützt. Dazu gibt’s von außen abgedichtete Lagerpunkte, ein geschraubtes Tretlager und ein SRAM UDH-Schaltauge. Dieses ist in vielen Shops günstig verfügbar und erlaubt zudem ein Upgrade auf die neue SRAM Eagle AXS-Schaltung, die in diesem Fall allerdings mehr kostet als das komplette Fahrrad.
Geometrie
Im Vergleich zum Vorgänger hat sich vor allem die Geometrie des Canyon Neurons geändert. Die Koblenzer sind dabei keine allzu großen Experimente eingegangen, haben allerdings die Reach-Werte ordentlich in die Länge gezogen. Diese reichen nun von 410 bis 510 mm, wobei unser Testrad in Größe L bei durchaus wuchtigen 480 mm landet. Auch der Stack ist leicht angewachsen, dazu gibt’s einen abgeflachten Lenkwinkel, der allerdings immer noch bei eher moderaten 66° liegt. Der Sitzwinkel ist mit 76° ausgewogen, die Kettenstreben messen eher lange 440 mm. In den Größen XS und S kommen allerdings 27,5″-Laufräder und 10 mm kürzere Kettenstreben zum Einsatz.
Rahmengröße | XS | S | M | L | XL |
---|---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 27,5″ / 650B | 27,5″ / 650B | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 410 mm | 430 mm | 455 mm | 480 mm | 510 mm |
Stack | 587 mm | 596 mm | 626 mm | 639 mm | 656 mm |
STR | 1,43 | 1,39 | 1,38 | 1,33 | 1,29 |
Lenkwinkel | 66° | 66° | 66° | 66° | 66° |
Sitzwinkel, real | 76° | 76° | 76° | 76° | 76° |
Oberrohr | 556 mm | 579 mm | 611 mm | 639 mm | 674 mm |
Steuerrohr | 90 mm | 100 mm | 110 mm | 125 mm | 143 mm |
Sitzrohr | 390 mm | 390 mm | 425 mm | 460 mm | 500 mm |
Kettenstreben | 430 mm | 430 mm | 440 mm | 440 mm | 440 mm |
Radstand | 1.139 mm | 1.164 mm | 1.203 mm | 1.234 mm | 1.271 mm |
Tretlagerabsenkung | 17,5 mm | 17,5 mm | 38 mm | 38 mm | 38 mm |
Federweg (hinten) | 130 mm | 130 mm | 130 mm | 130 mm | 130 mm |
Federweg (vorn) | 140 mm | 140 mm | 140 mm | 140 mm | 140 mm |
Ausstattung
Bei einem Preis von 2.300 € darf man natürlich keine High-End-Parts erwarten. Canyon hat es am Neuron 6 allerdings geschafft, ein solides Paket zu schnüren, das nur wenige Abstriche in Sachen Performance macht. Das Fahrwerk kommt aus dem Hause Fox und besteht aus der 34 Rythm-Federgabel und dem Float DPS Performance-Dämpfer. Gangwechsel erfolgen mittels Shimano SLX-Antrieb mit 12 Gängen, für die nötige Verzögerung sorgen bissige SRAM DB8-Bremsen. Die AM LN 370-Laufräder stammen von DT Swiss und sind mit schicken Schwalbe-Reifen in Skinwall-Optik bestückt. Das Cockpit sowie die Sattelstütze sind aus Canyon-eigener Produktion.
- Federgabel Fox 34 Rythm (140 mm)
- Dämpfer Fox Float DPS Performance (130 mm)
- Antrieb Shimano SLX
- Bremsen SRAM DB8
- Laufräder DT Swiss AM LN 370
- Reifen Schwalbe Nobby Nic / Schwalbe Wicked Will
- Cockpit Iridium Flatbar (760 mm) / Iridium Stem (50 mm)
- Sattelstütze Iridium Dropper (170 mm)
Auf dem Trail
In den letzten Jahren hat sich viel getan bei Canyon und mittlerweile sind die Koblenzer auf einem Niveau angelangt, bei dem wir eigentlich jeden Test damit beginnen können, dass man sich auf das Rad setzt und sich direkt wohlfühlt. Und so verhält es sich wenig verwunderlich auch beim Canyon Neuron 6. Aufgrund des langen Reachs fällt die Sitzposition vergleichsweise gestreckt aus, was in Verbindung mit dem straffen und antriebsneutralen Heck einen sehr sportlichen und Touren-orientierten ersten Eindruck hinterlässt. So motiviert das Rad, vom ersten Meter an Gas zu geben und auch mal den ein oder anderen Zwischensprint einzulegen. Den Griff zum gut erreichbaren Lockout kann man sich in den meisten Situationen getrost sparen – außer man ist ein wahrer Effizienz-Fetischist. Der effiziente Eindruck wird gut von der mehr als solide arbeitenden Shimano SLX-Schaltung unterstrichen. Gangwechsel erfolgen schnell und knackig, woran sich auch im Verlauf des Tests nichts geändert hat.
So positiv von den Uphill-Eigenschaften des Canyon Neurons überrascht, waren wir natürlich mehr als gespannt auf die Trail-Performance. Diese lässt sich wie bei vielen Canyon-Modellen auf zwei Adjektive herunterbrechen: straff und schnell! Das liegt vor allem am Viergelenker-Hinterbau, der wie von Canyon beworben viel Gegenhalt in der Federwegsmitte bietet. Dadurch kann man ziemlich aktiv fahren, Geschwindigkeit aufbauen und bewusst schnelle Linien wählen, muss sich allerdings damit abfinden, nicht auf einem Sofa zu sitzen. Das Verhalten ist uns zwar bereits vom Canyon Spectral 125 (Test) oder dem Canyon Sender (Test) bekannt – wir waren allerdings überrascht, wie gut das Konzept auch am Neuron aufgeht.
Beim ersten Aufsitzen vermittelt das lange Canyon mit seinem 66°-Lenkwinkel weniger Abfahrts-Vibes als einige Konkurrenten im Test. Durch den hohen Stack steht man allerdings ziemlich zentral im Rad und kann so viel aus dem sportlichen Hinterbau rausholen. Auch die Fox 34 Rythm kann für diese Preisklasse absolut überzeugen – High-End-Gabeln bieten allerdings noch etwas mehr Gegenhalt und würden sicherlich gut zum Hinterbau passen. Die restliche Ausstattung offenbart im Test kaum Schwächen – vom reinen Fahrverhalten her könnte man das Neuron 6 für ein wesentlich hochwertigeres Bike halten. Die Schwalbe-Reifen boten bei den Traum-Bedingungen während unseres Tests soliden Grip, fühlten sich in harten Kompressionen allerdings schwammiger an als das Fahrwerk. Auch die SRAM DB8-Bremsen bieten viel Power für wenig Geld.
Auch wenn wir insgesamt sehr angetan von der Hinterbau-Performance des Canyon Neurons sind, ist das Alu-Trail-Bike auch dank seiner bis auf die Länge eher konservativen Geometrie kein straffer Abfahrts-Spezialist. Dieser Titel geht im Hause Canyon klar an das Spectral 125. Stattdessen handelt es sich um einen sehr ausgewogenen Allrounder, der auf langen Touren ebenso Spaß macht wie auf dem ein oder anderen kniffligen Trail.
Tuning-Tipps
Für den Preis hat Canyon an der Ausstattung viel richtig gemacht. Allerdings ist keiner unserer Tester mit dem verbauten Selle Italia-Sattel klargekommen und auch die extrem klappernden Kabel haben den positiven Gesamteindruck etwas getrübt. Schaumstoffhülsen im Inneren oder Kabelbinder an den Leitungs-Eingängen, würden hier viel bringen. Zudem sind wir in der Gabel deutlich mehr Luftdruck als von Fox empfohlen gefahren und haben am Heck auf etwa 25 % Sag gesetzt.
Im Vergleich
Das Rose Root Miller 1 kostet exakt so viel wie das Canyon Neuron 6, muss allerdings einige Abstriche in der Ausstattung machen. So schwächelt vor allem die verbaute RockShox Gold-Federgabel spürbar im Vergleich zur Fox 34 im Canyon und auch die sehr günstigen Continental-Reifen kommen nicht an die für uns überraschend soliden Schwalbe-Reifen heran. Zudem fühlt sich das Root Miller nach mehr Rad an und lässt sich auch nicht ganz so behände auf den Berg bewegen wie das Canyon. Während es in der Abfahrt zwar durchaus eine solide Figur macht, kommt es vor allem durch das harsche Fahrwerk dann tatsächlich schneller an seine Grenzen als das Neuron 6.
Das Vitus Mythique ist das teuerste Rad im Test und verfolgt mit seiner potenten Geometrie, mit aufrechter Körperposition und hoher Front eine etwas Abfahrts-fokussiertere Ausrichtung als das Canyon. Bergauf ist es also etwas im Nachteil gegenüber dem sehr flinken Neuron. In technischen Abfahrten hingegen vermittelt das britische Bike viel Vertrauen und überzeugt mit einem überraschend satten Fahrwerk. Hier ist das Neuron 6 eindeutig anstrengender zu fahren und verlangt durch die gestrecktere Körperposition und das weniger fluffige Fahrwerk mehr Körpereinsatz.
Das ist uns aufgefallen
- Geräuschkulisse Der hochwertige Gesamteindruck wird ziemlich von den von Beginn an extrem laut und hochfrequent klappernden Kabeln gestört. Diese scheinen im Inneren des Rahmens oder an den Leitungseingängen stark anzuschlagen.
- Lockout-Hebel Während unseres Tests war zweimal versehentlich und ohne unser Zutun der Lockout am Dämpfer eingeschaltet. Wir vermuten, dass man beim Fahren mit dem Bein daran stoßen kann – eventuell passiert es auch, wenn die Räder in den Shuttle geladen werden. Es war nicht häufig genug, um von einem echten Problem zu sprechen, ist allerdings durchaus auffällig.
- Gewicht Mit 14,7 kg ist das Neuron kein Leichtgewicht, aber immerhin das leichteste Rad in unserem Testfeld von Trail-Bikes unter 2.500 €.
- SRAM DB8 Die Mineralöl-Bremse der Amerikaner wurde ohne großes Tamtam vor einem Jahr vorgestellt. Die Bremsleistung und Dosierung kann sich absolut sehen lassen und war für unsere Hometrails mehr als ausreichend. Im Testfeld stach die DB8 so sehr positiv hervor. Allerdings scheint SRAM die Ergonomie absichtlich schlechter gemacht zu haben, als es sein müsste. Wer seinen Bremspunkt relativ nah am Lenker fährt, muss damit leben, dass der Hebel dann schon nicht mehr orthogonal zum Bremsfinger steht. Wir sind nie vom Hebel abgerutscht, aber es erscheint nicht ganz durchdacht.
Fazit – Canyon Neuron 6
Mit dem neuen Neuron hat Canyon nicht nur einen sehr guten Allrounder für alle Touren- und Trail-Enthusiasten im Angebot, sondern auch bewiesen, dass man ein Rad für 2.299 € zusammenstellen kann, mit dem man richtig viel Spaß im Gelände hat. Die Kombination aus Antriebs-effizientem, aber im Gelände sehr fähigem Hinterbau, soliden Komponenten und einer ausgewogenen Geometrie konnte sowohl auf längeren Ausfahrten, als auch technisch anspruchsvollen Trails voll überzeugen. Nur die hohe Geräuschkulisse durch klappernde Kabel trübt den positiven Gesamteindruck.
Pro / Contra
Pro
- gelungene Ausstattung
- sehr gute Uphill-Eigenschaften
- spritziges Fahrgefühl
- stimmiges Gesamtpaket
Contra
- nicht das laufruhigste Bike
- klappernde Kabel
Testablauf
Die fünf Modelle in Vergleichstest von günstigen Trail-Bikes wurden im direkten Vergleich auf denselben Strecken unter praktisch identischen Bedingungen gegeneinander getestet. Dafür haben wir die Räder auf Strecken bewegt, für die sie vorgesehen sind: Unsere Hometrails, die von flowigen Abschnitten über technisch anspruchsvolle Passagen bis hin zu Anliegern, Kurven und Sprüngen alles zu bieten haben, was ein Allrounder beherrschen sollte. Um möglichst viele Eindrücke zu sammeln, haben wir die Bikes bei mehreren Shuttle-Sessions gegeneinander getestet. Dazu wurden alle Räder aus eigener Kraft auf derselben typischen Trail-Runde mit ausreichend Höhen- und Tiefenmetern bewegt. Grundsätzlich haben wir alle Modelle in ihrer Serienausstattung getestet. Jeder Tester konnte aber kleinere Änderungen vornehmen, um das jeweilige Modell optimal an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.
Hier haben wir das Canyon Neuron 6 getestet
- Bad Kreuznach, Rheinland-Pfalz Flowige, abwechslungsreiche und überwiegend naturbelassene Trails auf einem Mix aus Waldboden und steinigem Untergrund.
- Darmstadt, Hessen Schnelle Trails mit Anliegern auf teils sandigem Boden.
- Fahrstil
- sauber, hohes Grundtempo
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- vorne straffer als hinten, schneller Rebound, nicht zu viel Dämpfung
- Vorlieben bei der Geometrie
- geräumiger Reach, keine zu kurzen Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
- Fahrstil
- verspielt
- Ich fahre hauptsächlich
- Downhill, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- unauffällig, eher progressiv, wenig Druckstufe
- Vorlieben bei der Geometrie
- ausgewogen, nicht zu lang, Lenkwinkel nicht zu flach
- Fahrstil
- verspielt, strammes Grundtempo, lieber eine Kurve mehr als Straightline
- Ich fahre hauptsächlich
- Enduro, Trail, Jumps und auch gern mal Downhill
- Vorlieben beim Fahrwerk
- etwas straffer, schneller Rebound, so wenig Dämpfung wie nötig
- Vorlieben bei der Geometrie
- ausreichender Reach, mittellange Kettenstreben, tendenziell flacher Lenkwinkel
- Fahrstil
- Räder auf dem Boden, saubere Linienwahl
- Ich fahre hauptsächlich
- Trail, Enduro
- Vorlieben beim Fahrwerk
- relativ straff mit viel Dämpfung, Heck eher langsam
- Vorlieben bei der Geometrie
- mittellanges Oberrohr, hoher Stack, lange Kettenstreben, flacher Lenkwinkel
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